Wenn Wohnen zur Belastung wird

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Bild von Ajale

In Großstädten gibt es immer weniger Wohnungen für Normalverdiener

Trotz Mietpreisbremse ächzt der Wohnungsmarkt in deutschen Großstädten unter einer zu hohen Nachfrage seitens potentieller Mieter bei zugleich viel zu wenigen bezahlbaren Wohnungen. Zwar werden immer mehr Baulücken geschlossen, doch entstehen dabei oft nur Eigentumswohnungen oder Mietshäuser mit Luxusapartments. Die Mietpreisbremse, die Mieter vor willkürlichen Mieterhöhungen schützen soll, kann Abhilfe schaffen. Doch der Wohnungsmarkt ist immer noch angespannt.

Worin liegen derzeit die Schwierigkeiten – und wie können sie gelöst werden?

A steigende Mieten

Die Konkurrenz für den vorhandenen Wohnraum ist einfach zu groß. Die Nachfrage übersteigt das Angebot der Vermieter. Da mag sich der ein oder andere chancenlos wähnen und die Flinte ins Korn werfen, noch bevor er überhaupt aktiv auf Wohnungssuche gegangen ist.

Wen der Massenandrang bei Wohnungsbesichtigungen nicht abschreckt, der kollabiert womöglich vor den gestiegenen Mieten: Laut einer SZ-Umfrage müssten drei Viertel der Mieter sehr viel tiefer in die Tasche greifen, wenn sie ihre alte Wohnung kündigen und eine gleichwertige neuanmieten würden. Gründe dafür sind einerseits der anhaltende Ansturm auf die Großstädte. Zum anderen wurde seitens der Städte nicht für genügend bezahlbaren Wohnraum gesorgt. Davon betroffen sind nunmehr nicht nur Geringverdiener, sondern auch Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen.

Letztere haben auch deshalb selten eine Aussicht auf eine vergleichsweise günstige Mietwohnung, weil man an diese oftmals nur mit einem Wohnberechtigungsschein (WBS) gelangt. In Berlin will man deshalb auch Menschen mit mittlerem Einkommen den Zugang zu Sozialwohnungen ermöglichen:

Demnach sollen etwa Busfahrer, Polizisten oder Krankenschwestern, die bislang über den Einkommensgrenzen lagen, einen speziellen Wohnberechtigungsschein (WBS) beantragen können. Damit dürfen sie dann subventionierte Neubauwohnungen für anfänglich 8 Euro je Quadratmeter mieten.

Quelle: BZ

Problem: In diesem Preissegment gibt es gar nicht genug Wohnraum. Insofern können die Wohnberechtigungsscheine auch nicht oder nur selten angewendet werden.

B Hohe finanzielle Belastung durch gestiegene Mieten

Man sollte nicht mehr als 30% seines Nettolohns für die Miete ausgeben müssen, um finanziell entspannt leben zu können. Dies gilt insbesondere für Menschen mit niedrigem und mittlerem Verdienst:

Wer gut verdient, etwa ein Haushaltseinkommen von 6000, 7000 oder mehr Euro zur Verfügung hat, wird auch nach Abzug von einem Drittel Mietkosten vergleichsweise gut davon leben können. Wer dagegen von einem niedrigen Verdienst von beispielsweise 1200 Euro mehr als 30 Prozent an den Vermieter überweisen muss, für den wird es finanziell eng.

Quelle: SZ

Dabei befinden sich Wohnungen, die weniger Miete kosten, oft sogar in einer ungünstigen Lage oder verfügen über eine schlechtere Ausstattung als teure Wohnungen. Insofern sind Geringverdiener auch noch doppelt bestraft.

Mehr als ein Drittel seines Haushaltsnettoeinkommens für die Miete auszugeben, bedeutet allerdings nicht nur, dass einem weniger Geld für sonstige Ausgaben zur Verfügung steht, sondern auch, dass die Lebenssituation insgesamt angespannter ist, denn oft führt es zum:

C Lock-in-Effekt

Mieter halten an ihren Wohnungen fest, weil sie Angst haben, keine neue, bezahlbare Wohnung zu finden. -Auch dann, wenn die Wohnung gar nicht mehr zur eigenen Lebenssituation passt.

Ein Beispiel, das wohl jeder kennt, sind ältere verwitwete Menschen, die schon seit vielen Jahrzehnten in ein und derselben riesigen Wohnung wohnen, obwohl sie längst nicht mehr so viel Platz benötigen. Doch der alte (günstige) Mietvertrag macht diese Wohnungen immer noch attraktiver als sich eine kleinere Wohnung zu suchen. Umgekehrt gibt es immer mehr junge Leute, die bei ihren Eltern wohnen bleiben, obwohl sie viel lieber eine eigene Wohnung beziehen würden.

Man ist sozusagen eingesperrt in der alten Mietwohnung. Tatsächlich ziehen in deutschen Großstädten laut Statistik immer weniger Menschen um, auch wenn sie mit ihrer Wohnsituation unzufrieden sind. Die Fluktuation ist in den vergangenen sieben Jahren von 15 Prozent auf 8,6 Prozent gesunken.

Konkret bedeutet das auch: Lebensentscheidungen können nicht mehr frei getroffen werden. Der Mieter ist gefangen. Dabei war einer der vielen Vorteile der Mietwohnung einst deren Flexibilität. Ergaben sich durch Jobwechsel, Familienzuwachs oder Trennung andere Lebenslagen, konnte die Wohnung innerhalb kürzester Zeit aufgegeben werden. Einem Umzug stand nichts mehr im Wege.

Momentan scheint diese Freiheit nur noch den Besserverdienenden zur Verfügung zu stehen.

Blickfeld erweitern: Wohnungstausch & Co.

Es sei denn, man öffnet sich auf der Suche nach Wohnraum alternativen Angeboten. Wohnungen werden heutzutage nicht nur auf einschlägigen Immobilienplattformen und in der Zeitung inseriert. Auf Webseiten, die sich dem Wohnungstausch widmen, bieten viele Großstadtbewohner ihre Wohnungen zum Tausch an, zumeist wenn sie sich vergrößern oder verkleinern wollen oder der Wohnort gewechselt werden muss.

Praktisch ist hier vor allem, dass Suchende Wohnungen zu Gesicht bekommen, die auf dem regulären Wohnungsmarkt gar nicht vorhanden sind. Schließlich sind sie noch vermietet. Tauschwillige sollten jedoch unbedingt vorher mit ihrem Vermieter bzw. der Wohnungsbaugesellschaft abklären, ob ein Wohnungstausch überhaupt möglich ist.

Als wir damals aus Berlin rausgezogen sind und unserer Wohnungsbaugenossenschaft einen Nachmieter präsentiert haben, kam dieser nicht einmal in die engere Auswahl: Die Warteliste war schon zu diesem Zeitpunkt dermaßen voll, dass nicht einfach jemand dazwischengeschoben werden konnte.

WG gründen oder doch lieber ins Eigenheim ziehen?

Sich eine Wohnung zu teilen, bedeutet auch, nur die halbe Miete zu zahlen. Was bei Ehepaaren gang und gäbe ist, müssen Alleinerziehende hingegen aus eigener Kraft stemmen. Wem das zu viel wird, zieht mit Gleichgesinnten in eine Wohngemeinschaft, kurz: WG. Auch dies kann eine Alternative zur unbezahlbaren Großstadtwohnung darstellen.

Mietshäuser-Syndikate gehen noch einen Schritt weiter: Hier will man nicht nur zusammen wohnen, sondern auch wirtschaften. Das gemeinschaftliche Wohnen setzt allerdings voraus, dass man passende Mitstreiter findet, mit denen man auch auf lange Sicht gern zusammenlebt und -arbeitet.

Individueller funktioniert da der Hausbau bzw. -kauf, da er zumeist von lediglich einer Familie umgesetzt wird. Hierfür muss jedoch erst einmal passender Baugrund oder eine bezahlbare Bestandsimmobilie gefunden werden, was in der Großstadt quasi unmöglich ist und selbst in deren Speckgürtel immer schwieriger wird. Dank der zunehmenden Akzeptanz des Arbeitens von zu Hause aus, spielt es in Zukunft wohl eine eher untergeordnete Rolle, wo man wohnt. Dann kann man sich auch in strukturschwachen Regionen niederlassen – wo die Mieten/Grundstücke/Häuser noch günstig sind.

LG Anne!!!

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