Mama, ich will nicht in die Kita!

MitmachMittwoch No. 26: Mein Kind will nicht in die Kita! Was tun?

Wenn Kinder unter der Fremdbetreuung leiden

kind will nicht in die kitaDie meisten Kinder gehen gern in die Kinderkrippe bzw. den Kindergarten. Meine Vierjährige geht sogar so gern in ihre „Igel-Gruppe“, dass sie kaum wieder nach Hause will, wenn ich sie von dort abhole! Trotzdem gibt es Tage, an denen die Kleine es leid ist. Obwohl sie ihren Kindergarten mag und gute Freunde hat, möchte sie hin und wieder gern zu Hause bleiben – aus welchen Gründen auch immer.

Bis zum Alter von 15 Jahren verbringt heute jedes Kind 25 000 Stunden in pädagogischen Einrichtungen, schärfer gesagt in zwangspädagogischen Einrichtungen. Umgerechnet auf die Woche entspricht das dem Arbeitspensum eines Industriearbeiters im vorigen Jahrhundert. (Jesper Juul, Interview mit dem Spiegel)

Trennungsängste hatte meine Tochter glücklicherweise nie. Es gibt allerdings diese Tage – wenn auch gering an der Zahl – an denen sie sich nicht lösen will. In solchen Momenten frage ich mich, wie ich reagieren soll. Bislang bin ich hart geblieben, d.h. ich habe mich von ihr verabschiedet und bin gegangen. Sie hingegen musste in der Kita bleiben. Nur so, dachte ich, würde sie lernen, dass es sich beim Verbleib in der Kita nicht um ein Wunschkonzert handelt, sondern um eine Zwangsmaßnahme. Schließlich will ich arbeiten – und dabei würde sie mich stören.

Es gibt keine ausreichende Forschung, ob diese Betreuung den Kindern schadet. Wir wissen aber, dass rund ein Fünftel der Ein- bis Zweijährigen darunter leiden, in die Kita gehen zu müssen, weil sie Trennungsängste haben. (Jesper Juul, Interview mit dem Spiegel)

Die Vorteile der Fremdbetreuung

Meine Angst besteht demnach darin, dass meine Tochter gar nicht mehr in die Kita gehen will, wenn ich ihr ermögliche, hin und wieder einfach mal zu Hause zu bleiben. Zu Hause allerdings kann ich ihr bei Weitem nicht das bieten, was ihre Kita täglich leistet: gemeinsames Spiel, soziale Kontakte, Basteleien, Sport und Ausflüge, eine ausgewogene Ernährung. Kurz gesagt, der Erlebnisfaktor ist in der Kita einfach unschlagbar.

Dennoch gibt es (Klein-)Kinder, die unter einer Fremdbetreuung leiden. Sei es in der Kita oder bei einer Tagesmutter bzw. einem Tagesvater. Wie Eltern dieses ernstzunehmende Problem lösen, ist individuell verschieden. Manchmal geht es nicht anders und das Kind muss zur Kita, obwohl es partout nicht will.

Neue Antworten auf die Vereinbarkeitsfrage finden – dem Kind zuliebe

Angestellte können sich schließlich i.d.R. nicht aussuchen, wann sie arbeiten. Einigen wird sogar der Wunsch nach Teilzeitarbeit verwehrt. Die Urlaubstage sind zudem begrenzt. Aufs Gehalt können die meisten nicht einfach verzichten. Kein Wunder, dass sich so manches Elternteil zwischen Familie und Beruf zerrissen fühlt. Sätze wie der folgende vom Familienberater Jesper Juul erzeugen noch zusätzlich ein schlechtes Gewissen:

Ich glaube, es ist besser, wenn unsere Kinder die ersten drei Jahre mit ihren Eltern verbringen dürfen, ob mit Mutter oder Vater ist nicht so wichtig. Das ist meine Meinung, ich weiß, dass sie in Deutschland politisch inkorrekt ist. Die meisten Kinder gehen gern in die Kita, aber einzelne leiden. (Jesper Juul)

Nicht nur Erwachsene brauchen Auszeiten

Als Freiberuflerin kann ich mein Arbeitspensum selbst takten. Das bringt zwar finanzielle Nachteile, doch immerhin kann ich über meine Zeit frei verfügen. Das macht es für mich einfach, meine Tochter auch mal zu Hause zu lassen, obwohl sie gesund und munter ist. Andere wiederum können ihre Kinder mit zur Arbeit nehmen (ErzieherInnen zum Beispiel). Das stellt fürs Kind natürlich auch eine Entlastung dar, wenn es ungern fremdbetreut wird.

Einige wenige können sich den Luxus gönnen, eine längere Auszeit vom Beruf zu nehmen oder gänzlich kürzer zu treten. Nicht umsonst taucht der Begriff der digitalen Hausfrau, auch Mompreneur genannt, immer häufiger auf. Genau genommen bin ich das auch. Hausfrau mit Nebenjob – und mit genug Zeit für meine Kinder. Dass ich kaum Stress verspüre, macht mich echt froh. Meine Kinder hoffentlich auch, obwohl wir keine schicke Einbauküche haben und unser Auto an der Vorstufe zum Oldtimer steht. ;)

Nicht auf andere schielen – eigene Lösungen finden!

Auch der Paarberater Sascha Schmidt>> kennt das Dilemma, wenn man Kind und Karriere eben nicht miteinander vereinen kann. Er hatte es versucht, doch sein zweites Kind streikte: Es lehnte seine Tagesmutter ab. Statt seine Tochter gegen ihren Willen weiterhin fremdbetreuen zu lassen, reduzierte Schmidt seine Arbeit auf ein Minimum, bis sich eine andere Lösung fand.

Wenn das Kind nicht in die Kita will, wird oft zum Gespräch mit den Erziehern geraten. Möglicherweise hat es bloß Streit mit dem besten Freund? Rituale sollen dann das „Problem“ lösen. So darf das Kind zum Beispiel länger auf dem Schoß der Erzieherin sitzen oder seine Eltern zum Abschied aus der Tür schubsen. Dass das Kind vielleicht einfach mal eine Pause braucht, wird nicht in Erwägung gezogen.

Aber warum sollten nur Erwachsene hin und wieder eine Auszeit benötigen? -Kinder haben auch ein Bedürfnis nach Pausen. Die sollte man ihnen gönnen! (Statt sich über die viiieeel zu langen Schließzeiten der Kita zu ärgern…)

Schmidts persönliche Schlussfolgerung klingt heutzutage, wo die Schuld stets bei anderen gesucht wird (Kita, Arbeitgeber, Politiker, Gesellschaft), erfrischend ehrlich:

Der Weg aus der Zereißfalle kann nur ein individueller sein. Die Verantwortung dafür liegt bei uns Eltern – nicht beim Arbeitgeber, der Gesellschaft oder der Politik. Diese können mit Service-Angeboten wie Betriebskita, flexiblen Arbeitszeiten sowie Elterngeld unterstützen. Doch die zentrale Frage bleibt, wie viel Zeit will ich für meine Kinder haben, was will ich miterleben. Und: Geht es meinem Kind mit dem gewählten Modell gut.

Die Vereinbarkeitsfrage habe ich so beantwortet…

Wie oben bereits erwähnt, lautet unser Familienmodell nun ganz undogmatisch: Mann geht Vollzeit arbeiten und macht Karriere, Frau bleibt als „digitale Hausfrau“ zu Hause und dreht Däumchen ;).

Oh-oh, das klingt eindeutig nach Niederlage. Weil diese veraltete Art der Rollenaufteilung mit Unverständnis und Vorurteilen verbunden ist, lasse ich es in meinem Umfeld nur ganz wenige wissen. Schließlich habe ich studiert! Wie kann ich da bloß auf einen „richtigen“ Job verzichten und mich von meinem Mann abhängig machen? Es kommt nicht gut an.

Doch für uns funktioniert’s erstaunlich gut. Deshalb plädiere ich dafür, ganz undogmatisch nach Lösungen zu suchen. Nur weil es alle auf eine bestimmte Weise praktizieren, muss das nicht heißen, dass gut für dich ist.

In diesem Sinne möchte ich mit den Worten von Sascha Schmidt schließen:

Spannenderweise passen sich Kinder grundsätzlich den Familienmodellen an. Nur wenn es zu Lasten ihrer seelischen Gesundheit geht, gehen Kinder auf die Barrikaden. Dann darf nicht am Kind herumgedoktert werden, sondern das Lebensmodell der Eltern gehört auf den Prüfstand. Auch dies tut weh, doch die Verantwortung für das Wohlergehen der Kinder tragen wir Eltern. Das können wir nicht outsourcen!

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